Freitag, 25. Januar 2019

Sollte es Triggerwarnungen in Büchern geben?

*Der folgende Beitrag enthält Spoiler zu "Mein Herz und andere schwarze Löcher" (Jasmine Warga) und "All die verdammten perfekten Tage" (Jennifer Niven)*

In letzter Zeit habe ich mich verstärkt mit der Frage, ob es Triggerwarnungen in Büchern geben sollte, beschäftigt. Auslöser dafür, ist das Buch "Was ist schon normal?" von Holly Bourne. Nichts im Klappentext hat auf die wahre Thematik des Buchs hingedeutet und obwohl ich nicht direkt von dem Problem, an dem die Hauptperson leidet, betroffen bin, wirkten einige Szenen belastend auf mich. Ich begann mich dadurch zu fragen, wie solche Szenen erst auf jemanden wirken können, der in ernstzunehmenderweise von dem Thema betroffen ist. 
Im Moment spielt das Thema psychische Gesundheit eine immer wichtigere Rolle in der Gesellschaft und wird auch in Jugendbüchern behandelt. Auch in anderen Büchern, die ich gelesen habe, gibt es extreme Inhalte, bei denen ich es mittlerweile unverantwortlich finde junge Leser ohne Vorwarnung, auf diese einzulassen.
In Filmen, Serien und Computerspielen wird mittlerweile schon mit Triggerwarnungen gearbeitet. Ein gutes Beispiel ist hierfür die Netflix-Serie "13 Reasons Why", die belastende Szenen beinhaltet und vor jeder Folge darauf hinweist.
Warum sollte es dann nicht auch in Büchern Triggerwarnungen geben, wenn sie schwierige Themen beinhalten? 

Zu dem Thema gibt es unterschiedliche Ansichten. Manche finden Triggerwarnungen in Büchern übertrieben, weil laut ihnen ein Text keine so starke Wirkung wie bewegte Bilder beinhaltet. Andere sehen es zudem als Angriff auf die künstlerische Freiheit. 
Befürworter teilen die Ansicht, dass Inhalte auf jeden anders wirken können und somit auch belastende Szenen in Büchern, bei Betroffenen aufwühlend sein können.

Ich persönlich finde, dass man das Thema ernster angehen muss und in erster Linie auch darauf geachtet werden muss, wie ein Verlag für ein Buch wirbt. 
Bei "Was ist schon normal?" startete der Verlag eine große Kampagne und verkaufte Evies Geschichte als Buch über Feminismus, das den Kern der Zeit trifft. Doch es ist kein Wort zum Thema Zwangsstörung gefallen, obwohl genau das im Mittelpunkt des Buchs steht. Die Szenen dazu sind alles andere als harmlos und werden detailliert geschildert - samt Evies komplexen Gedanken. 
Bei solch einer großen Werbeaktion finde ich es vom Verlag unverantwortlich, nicht auf die wahre Thematik hinzuweisen - vor allem, weil eine junge Zielgruppe angesprochen wird.

Ein ähnliches Beispiel präsentiert "All die verdammt perfekten Tage" von Jennifer Niven, das im englischsprachigen Raum sehr gehypt wurde. Hier geht es auch um psychische Gesundheit, was bereits im Klappentext deutlich wird. Das Ende jedoch ist mehr als unerwartet, denn eine der Hauptpersonen schafft es nicht seine Depressionen zu überwinden und bringt sich um. Was löst das bei einem Jugendlichen aus, der selbst an Suizidgedanken leidet?
Auch hier finde ich, dass eine Triggerwarnung gerechtfertigt wäre und der große Hype mit der vielen Werbung kritischer betrachtet werden sollte. 
Zwar weiß ich, dass Verlage Unternehmen sind, die auf Gewinn aus sind, aber insbesondere bei einer jugendlichen Zielgruppe trägt man eine Verantwortung und sollte bei Büchern, die schwierige Themen behandeln, ehrlich sein. Auch, wenn eine Triggerwarnung zur Folge haben kann, dass weniger Jugendliche zu dem Buch greifen.

Es gibt jedoch auch Beispiele, bei denen Triggerwarnungen überflüssig auf mich wirken. In dem Buch "Mein Herz und andere schwarze Löcher" geht es ebenfalls um psychische Gesundheit und darum, wie die Hauptperson ihren Selbstmord plant und auf einer Webseite einen Selbstmordpartner sucht. Hier erkennt man direkt im Klappentext, worum es geht. Hier ist eine Triggerwarnung meiner Meinung nach nicht nötig. Der Grund dafür liegt darin, dass die Geschichte eine hoffnungsvolle Entwicklung präsentiert und die Hauptperson bis zum Ende hin erkennt, dass sie am Leben bleiben möchte. Genauso, wie ich durch den Klappentext bereits wusste, worauf ich mich einlasse und somit selbst entscheiden konnte, ob ich mir das antun möchte oder nicht.
In "Was ist schon normal?" und "All die verdammt perfekten Tage" erleben wir das Gegenteil und zwar eher negative Entwicklungen. Evie aus "Was ist schon normal?" erlebt einen schleichenden Rückfall, was ihre Zwangsstörung angeht und Finn aus "All die verdammt perfekten Tage" wird immer unglücklicher.

Auch andere Themen als psychische Gesundheit können triggernd wirken. Colleen Hoover wurde in den USA von vielen dafür kritisiert, dass sie "Nur noch ein einziges Mal" ohne Triggerwarnung und Nennung des Hauptthemas auf den Markt brachte. Sie erklärte dabei mehrmals, dass es besser ist, das Buch zu lesen, ohne den genauen Inhalt zu kennen, was ich verstehen kann, weil man sich sonst den Überraschungsmoment nimmt. Trotzdem sind die Szenen, um die es geht, aufwühlend. 
Doch genauso wie in "Mein Herz und andere schwarze Löcher" wird hier eine hoffnungsvolle Entwicklung präsentiert und das Ende lädt eher zu einer positiven Entwicklung bei Betroffenen ein. Doch bis man das Ende erreicht, muss man eine Reihe schwieriger Szenen überwinden, die Kritiker als Problem betrachten.
In solchen Fällen, die nicht nur die psychische Gesundheit betreffen geht es somit vor allem um einzelne Szenen, die belastend auf den Leser wirken können, statt den gesamten Inhalt oder das Ende.

Und genau hier liegt die Schwierigkeit beim Thema Triggerwarnungen, denn solche Szenen wirken auf jeden anders und, ob sich jeder Betroffene davon verletzt fühlt, kann man nicht wissen. Hier stellt sich die Frage, welche Inhalte überhaupt eine Triggerwarnung brauchen, denn schon kleine Szenen können triggernd wirken. Damit könnte man quasi jedem Buch eine Trigger Warnung aufsetzen, wodurch der Überblick verloren geht. 
In solchen Fällen finde ich, dass man vorsichtig sein muss und nicht jedes Buch, das Szenen zu schwierigen Themen enthält, eine Triggerwarnung braucht. Kommt beispielsweise eine einzige Szene vor, in der Gewalt ausgeübt wird, die aber nur oberflächlich beschrieben wird, ist es meiner Meinung nach, überflüssig.
Natürlich gibt es Betroffene, die sich auch von solchen scheinbar harmlosen Szenen getriggert fühlen können, aber da es unmöglich ist, auf jeden einzeln einzugehen, muss man aufpassen, es nicht zu übertreiben. 
Würde nämlich jedes Buch eine Triggerwarnung aufgesetzt bekommen, würden Leser diese nicht mehr ernst nehmen. 

Deshalb ist es meiner Meinung nach besser, darauf zu achten, inwieweit solch ein schwieriges Thema im Fokus der Geschichte steht. Wenn es im Mittelpunkt des Buchs steht, bin ich eher für eine Triggerwarnung, um Betroffene zu warnen. So, dass man selbst entscheiden kann, ob man sich mit dem Inhalt auseinandersetzen möchte oder nicht. 
Somit finde ich, dass ein Buch, das sich hauptsächlich mit dem Thema Gewalt auseinandersetzt und diese Szenen detailliert schildert, eine braucht. Einfach, um den Leser zu schützen.

Eine Alternative wären in solchen Fällen aber auch ehrliche Klappentexte. Das heißt nicht, dass man spoilern muss, aber in "Was ist schon normal?" hätte ein Satz über Zwangsstörungen ausgereicht, um Betroffenen zu zeigen, worauf sie sich einlassen. "Nur noch ein einziges Mal" hätte ein Satz über das wahre Thema auch nicht geschadet, um Betroffene zu schützen und nicht Vergangenes wieder aufleben zu lassen. In Büchern über Essstörungen steht auch im Klappentext, worum es geht, so, dass Betroffene nicht ins kalte Wasser geworfen werden.

Man kann auch strenger mit Altersempfehlungen arbeiten und zu schwierigen Büchern, keine irreführenden Werbekampagnen mehr starten. Die Diskussion darüber, dass Verlage im Jugendbuchbereich vorsichtiger sein sollten, wird auch bei New Adult - Büchern geführt. Hier finden es viele unverantwortlich, dass New Adult - Bücher mit detaillierten körperlichen Szenen durch falsche Vermarktung in die Hände von Lesern gelangen, die eigentlich zu jung für solche Inhalte sind, aber eben Geld einbringen. Vor allem Eltern, die ihren Kindern ein Buch kaufen möchten und Empfehlungen und positiven Bewertungen vertrauen, fühlen sich hier im Dunkeln gelassen.
Aus diesem Grund könnten sichtbare Altersempfehlungen eine erste Stütze sein, um angemessenen Inhalt zu erkennen. Auch bei Büchern zu schwierigen Themen, da meiner Meinung nach, detaillierte Schilderungen von Gewalt, psychischen Problemen oder Mobbing nichts für zu junge Leser sind, die sich leicht beeinflussen lassen und im Alltag vielleicht noch gar nicht damit in Berührung gekommen sind.

Man sieht, dass das Thema sehr weit geht und man ewig darüber diskutieren kann, um herauszufinden, was die Lösung ist.

Meiner Meinung nach muss bei Büchern, die schwierige Themen behandeln, zu erkennen sein, dass sie Betroffene belasten können. Wie bereits erwähnt, zeigt sich jedoch, dass man Triggerwarnungen umgehen kann, wenn z.B. im Klappentext direkt erwähnt wird, worum es geht. Hier bin ich der Ansicht, dass ehrliche Klappentext und stärkeres Achten auf die Altersempfehlungen sogar besser sind als Triggerwarnungen. 
Bei extremen Fällen, in denen sich das nicht ermöglichen lässt oder Szenen zu detailliert geschildert werden, können Triggerwarnungen hingegen hilfreich sein, um Betroffene zu warnen. 
Auch was die Werbung angeht, kann man mit größerem Verantwortungsbewusstsein umgehen. So sollten Verlage stärker darauf achten, wie sie solche Bücher vermarkten, da sich vor allem junge Leser von Werbekampagnen und Hypes beeinflussen lassen.

Eine positive Entwicklung, die ich bereits beobachtet habe, ist, dass es in einigen Büchern zu schwierigen Themen oft am Anfang oder Ende Informationen zu Internetseiten gibt, bei denen man sich Hilfe suchen kann, wenn man vom Thema betroffen ist. Genauso wie Auflistungen zu Notfall-Telefonnummern. Das lässt Betroffenen zeigen, dass sie nicht allein sind und vermittelt Hoffnung.
Damit zeigt sich, dass das Thema wichtig ist und mittlerweile schon mit mehr Vorsicht betrachtet wird. Wie sich das in Zukunft weiterentwickeln wird, wird sich zeigen.

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